Wir sind überzeugt, dass im Bereich Wohnungsbau, gegenwärtig und zukünftig, unsere disziplinäre Aufgabe darin besteht, zwei wesentliche Dimensionen unserer Kultur und unserer Gesellschaft zu verstehen und in gebauten Räumen und Formen umzusetzen.
Die erste Dimension betrifft die ständig progressive Entwicklung von vielfältigen, differenzierten und auch kontroversen Lebensentwürfen, welche die Menschen verwirklichen wollen. Dieser Prozess wird von zahlreichen Faktoren generiert und gesteuert und widerspiegelt sich in Form einer bereichernden Vielfalt von Vorstellungen und Erwartungen. Die Chancen der vernetzten Mobilität und der Digitalisierung beschleunigen die Dynamik der Entwicklung und der wechselnden Zustände in unserem täglichen Leben. Es werden flexible Wohnformen benötigt, die sich an die Schnelllebigkeit der Lebensformen anpassen.
Die zweite Dimension betrifft das wachsende Bewusstsein für unsere kollektive Verantwortung gegenüber der Umwelt. Wir sind zuversichtlich, dass immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft bereit sind auf persönliche und egozentrische Ziele zu verzichten, zugunsten verantwortungsvoller und umweltbewusster Ziele. Engagierte Menschen, insbesondere die reflektierten jüngeren Generationen, betrachten die Natur, die Stadt und ihre Ressourcen immer seltener als ein Konsumprodukt, sondern als wertschätzendes Allgemeingut.
Belastbares Konzept für die Vielfalt
Für uns als Architekten liegt die Faszination ein Baugemeinschaftsprojekt zu begleiten, auch an der Tatsache, dass bei dieser Aufgabe keine vorgefertigte Lösung und Form für das Gebäude verwendet werden kann. Zusammen mit allen Mitgliedern der Baugemeinschaft und unter Beratung kompetenter Baubetreuer, werden die Ziele der Planung definiert und formuliert. In Zusammenarbeit mit den Baubetreuern werden Prozesse angestoßen und alle möglichen Kollaborationen ausgelotet und umgesetzt.
Um diesen Prozess durchzuführen, werden bekannte Methoden und Formate (wie z.B. eine ausführliche Bedarfsermittlung, Workshops, Planungsbesprechungen und Individualtermine) anwenden. Dieser Prozess muss einem klaren Plan gesteuert werden, der eine präzise Sequenz von Entscheidungsabfolgen beinhaltet und eine Festlegung über den Spielraum dieser Entscheidungen setzt. Zusätzlich und besonders prägend im Vergleich zu anderen Planungsaufgaben, werden wir als Architekten von Anfang an ein klares Konzept für eine architektonische Struktur formulieren. Diese Arbeitsmethode haben wir bereits erprobt und sie prägt unsere Planungsstrategie. Dieses raum- und architekturtypologische Konzept muss klare aber gleichzeitig anpassungsfähige Strukturen formulieren. Diese generieren ein Gerüst für Möglichkeitsräume. Die Strukturen ermöglichen das Gebäude konstruktiv und gestalterisch zu prägen und ihm eine präzise und erkennbare Identität zu verleihen, damit die Baugemeinschaft sich mit diesem Konzept identifizieren kann und eventuell neue Mitglieder mit Überzeugung gewonnen werden können. Dieselben Strukturen ermöglichen gleichzeitig eine große Flexibilität und Anpassungsfähigkeit für die Vielfalt der Lebensentwürfe, die sich hier verwirklichen wollen. Dieses strukturelle Konzept ermöglicht viele unterschiedliche Wohnungstypen- und Wohnungsgrößen zu planen und vielfältige Raumbedarfe zu erfüllen. So können z.B. Schalträume oder austauschbare Bereiche generiert werden. Diese Anpassungsfähigkeit innerhalb aber auch außerhalb der einzelnen Wohneinheiten ermöglicht effizienter und nachhaltiger die Ressourcen zu nutzen. Die Wohnungen können z.B. generationsübergreifend oder in den Tag-Nacht Zyklus umgestaltet aber auch geteilt, verkleinert oder vergrößert werden. Zusätzlich sind unterschiedliche Grade und Formen der Gemeinschaftsnutzung von bestimmten Flächen, z. B. bei Erschließungsflächen, je nach Wunsch und Bedarf der Baugemeinschaft möglich, ohne die architektonische Identität zu schwächen und ihre ästhetische Qualität zu vermindern.